Ev.-luth. St. Salvatoris-Kirchengemeinde Zellerfeld

Gedanken zum Mittwoch für die Goslareche Zeitung am Mi, 1.04.2020 von Pastor André Dittmann

Verletzlich und verwundbar. So fühle ich mich im Moment.

Wie ist das bei Ihnen?

Ich selbst bin Jahrgang 1974 – geboren und aufgewachsen in Westeuropa in einer Zeit, die nur wenig Einschränkungen kennt.

Kannte – so ist es wohl richtiger…

 

Ich lebe nicht in Asien, wo Tsunamis ganze Inseln verwüsten, nicht in Amerika, wo Wirbelstürme und Sturmfluten ganze Landstriche verwüsten.

Die großen Sturmflut 1962 oder die Schneekatastrophe 1978/1979 habe ich nicht bewusst erlebt. Die Reaktor-Katastrophe in Tschernobyl 1986 hatte wenig Einfluss auf mich und mein Leben. Ich habe da nicht mehr im Sandkasten gespielt oder habe keine Pilze selbst gesammelt.

Ich lebe nicht in China oder Italien, wo Menschen an Covid-19 in für mich unvorstellbarer großer Zahl in kurzer Zeit sterben.

 

Und jetzt? Jetzt spüre ich zum ersten Mal als Erwachsener die Auswirkungen eines Ereignisses, dass die bisherigen Mechanismen und Bewältigungsstrategien auf die Probe stellt. Die von staatlichen Institutionen und privaten Unternehmen.

Aber auch einzelne Menschen kommen an den Rand dessen, was sie aushalten können. Finanziell. Aber auch seelisch.

Was hilft der Glaube, könnte man fragen, wenn unklar ist, wenn einer nach vier Wochen Stillstand des öffentlichen Lebens nicht mehr weiß, wie er oder sie selbst über die Runden kommen soll? Wenn staatliche Rettungsschirme irgendwie nicht ausreichen?

Eine schwere Frage, deren Antwort leicht in Gefahr gerät als billige Vertröstung erlebt zu werden. Das ahne ich.

In diesen Tagen erlebe ich die Welt verwundbar wie nie, erlebe ich Menschen verwundbar und aufgerieben wie nie. Auch ich bin empfindlicher geworden wie nie.

Und ich sehe auf den Gott, der sich auch verwundbar gemacht hat. Der an der Welt und ihren Verhältnissen gelitten hat. Hierin sind wir unserem Gott ganz ähnlich, wie er in Jesus in dieser Welt sichtbar wurde. Und für diesen Jesus war Leid und Tod nicht das Ende. Sondern die Chance zu etwas Neuem und Anderem. Wie genau – das ist einer der großen Geheimnisse des Glaubens. Mir gibt das aber trotzdem Kraft. Und Ihnen?

 

André Dittmann

Pastor in Zellerfeld und Lautenthal